Vom Basel Tattoo in den Jesuitenorden
«Die Freiheit, ganz für Gott und die Mitmenschen da zu sein»
Mathias Werfeli, 1977, ist Ordensmann der Jesuiten und studiert als Scholastiker Theologie und Philosophie in Paris. Er macht zurzeit ein Sommerpraktikum für zwei Monate im Lassalle-Haus.
Es ist der 31.7.2020, der Festtag des Heiligen Ignatius von Loyola. Mathias Werfeli steht mit schwarzem Jacket am Gabentisch in der von der sommerlichen Hitze erwärmten Kapelle des Lassalle-Hauses. Die lebendige Predigt des studierten Historikers ist angereichert mit ausgewählten geschichtlichen Ereignissen aus dem Leben von Ignatius. Man spürt bei ihm die überzeugende Kraft, die Inspiration, die Ignatius hinterlassen hat. Eine Kraft, die heute rund 15000 Männer im Orden weltweit verbindet.
Drei Stunden zuvor sitzt der Scholastiker mit Vollbart am Tisch und erzählt aus seinem Leben. Ein Leben, das immer wieder neue Wendungen angenommen hat. Als reformierter Christ im Baselland aufgewachsen, findet er in den mystischen Gesängen der Ostkirche einen lebendigen Bezug zur christlichen Spiritualität. Die ostkirchliche Liturgie behagt ihm, er konvertiert zur Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche. Mit dem Chor singt er in verschiedenen Kirchen und lernt so auch die Jesuiten in Basel kennen. Er bleibt hängen, denn die Gemeinschaft in den Gottesdiensten der Katholischen Hochschulgemeinde, da fühlt er sich aufgehoben. Er kommt ins Gespräch und in den Austausch mit den Jesuiten, macht Exerzitien im Alltag. Die Unterscheidung der Geister führen schliesslich zur Entscheidung für die Gesellschaft Jesu - im für einen Ordensmann gehobenen Alter von 38 Jahren.
Aber wie kommt es, dass ein Mann, der inmitten der Fülle des Lebens steht, den Weg in den Orden macht? Beruflich ist er beim Basel Tattoo voll eingebunden. Als Produktionsassistent arbeitet er für die Organisation und das Management der zweitgrössten internationalen Tanz- und Musikformationen-Veranstaltung. Diese Tätigkeit gefällt ihm. „Ich war dazumal sehr engagiert und aktiv, war in verschiedenen Vereinen und Organisationen tätig. Aber ich war zu wenig zentriert, irgendwie fehlte etwas. Ich hatte das Gefühl, es könnte Gott sein.“ Die Frage für einen Ordensweg steht im Raum.
Er lässt sich Zeit, gibt sich eine Frist von einem Jahr, um das Ganze wirken zu lassen. Doch schon kurz danach kommt es zu einer organisatorischen Veränderung beim Tattoo. Mathias Werfeli verliert seine Stelle. Ein Zeichen von Gott für den Eintritt in den Orden? Er kennt die Worte von Ignatius, der sagt, für eine wichtige Entscheidung braucht es zwei gute Optionen, nicht eine gute und eine schlechte. So bekommt er in dieser Phase tatsächlich ein Angebot von der VBS für eine Karriere im Militär, wo er sich bereits bis zum Major hochgedient hat. Damit hat er eine Entscheidungsgrundlage mit zwei Optionen und trägt diese in die Exerzitien hinein. Er trifft eine Wahl, allerdings nicht für das militärische Exerzieren beim Bund sondern für das geistliche Exerzieren bei den Jesuiten.
Als Novize legt er das Gelübde ab: Gehorsam, Armut und Keuschheit. «Jeder Mensch muss sich im Leben entscheiden, sei dies die Familie, der Beruf, der Sport, ein Hobby», sagt Mathias Werfeli. «Und jeder Entscheid bedeutet Verzicht, man muss sich von etwas anderem verabschieden. Wenn ich dem Verzichteten nachtrauere, dann funktioniert es nicht. Für mich ist dieser Weg als Ordensmann im festen Bewusstsein mit der Freiheit verbunden, ganz für Gott und die Mitmenschen da zu sein.»