21.09.2015 15:38

Teresa von Avila

Nada te turbe - nichts soll dich ängstigen

Teresa von Ávila kam am 28. März 1515 in Kastilien zur Welt. Ein halbes Jahrtausend trennt uns von dieser gescheiten, zu tiefer Freundschaft fähigen Frau, und bis heute spricht sie durch ihre Werke mit uns. Das Lassalle-Haus widmet der Mystikerin vom 5. – 8. November die Jubiläums-Tagung Genie der Freundschaft. Das Interesse ist gross, der Anlass fast ausgebucht.

Wir freuen uns über alle, die mehr über diese grosse Persönlichkeit erfahren wollen und laden Sie an dieser Stelle ein, mit Teresa durchs Jahr zu gehen. Jeden Monat finden Sie hier einen Impuls dazu – heute den siebten von Noa Zenger, Pfarrerin und Kursleiterin im Lassalle-Haus. Sie reflektiert über das Gebet als Weg zur Erdung bei Teresa und Ignatius – Zeitgenossen im katholischen und damals weltpolitisch starken Spanien. Die weiteren sechs Beiträge finden Sie, wenn Sie auf der nächsten Seite rechts die Rubrik TERESA VON AVILA anklicken.

Teresa und Ignatius - Zeitgenossen, Mystiker, Ordensgründer

Ignatius von Loyola (1491 – 1556) und Teresa von Ávila (1515 – 1582) lebten in einer Zeit des Übergangs zwischen Mittelalter und Neuzeit. Das katholische Spanien, geformt von König Ferdinand und Königin Isabella und bereichert durch die Entdeckungen in Übersee seit Christoph Columbus, stieg zu einer Weltmacht auf. Zeitgleich rangen im deutschen Europa die Reformatoren um eine existenzielle Glaubenserfahrung und entwarfen neue Theologien. In diesen stürmischen Zeiten des Umbruchs suchten Teresa und Ignatius den Halt im Innen und gaben ihre Erfahrung an andere Menschen weiter. Ihre Stile sind unterschiedlich. Während Ignatius ganz der Pädagoge ist und primär methodische Anleitungen gibt, beschreibt Teresa mehr den Prozess. Grundlegend ist die Parallele im Menschen- und Gottesbild, der Mensch und sein Schöpfer. Von dieser Grundannahme her entfalten die beiden Mystiker ihre Gebetslehre. Was geschieht auf diesem inneren Weg und wohin führt er? Sind sich die beiden einig?

Umkehr und Horizontwechsel

Das Wirken Jesu beginnt mit dem Ruf zur Umkehr und zum glaubenden Sich-Einlassen auf die Nähe Gottes (Mk 1,15). Die Metapher der Umkehr weist auf einen grundlegenden Wechsel der Blickrichtung, auf einen Sinnenwandel und eine Neuorientierung des Lebens. Der erste Schritt in der Umkehr ist bei Teresa wie auch bei Ignatius die bewusste Hinwendung zu Gott und die Bewusstwerdung der Wohlordnung von Gott Schöpfer und dem Menschen als Geschöpf. Dabei ist die Frage leitend: Wer bin ich im Angesichte Gottes? Diese Anfangszeit dient der Einübung ins Beten und Meditieren, denn das Gebet ist das Eingangstor zum Innen. Sobald der Faden einmal aufgegriffen ist und der Mensch sich intensiver mit dem Leben auseinandersetzt, soll die Hoffnung und Freude, die wach geworden ist, auf das Du Gottes hin gelenkt werden. In dieser Ausrichtung, im Lichte Gottes, zeigt sich in der Folge nach und nach, was im Menschen in Unordnung ist und die Unzulänglichkeit, Brüchigkeit und die Verstrickung in der Sünde wird erkannt. Ignatius und Teresa sehen, dass der Mensch zwei antagonistischen Kräften ausgesetzt ist. Auf der einen Seite steht seine Sehnsucht nach Gott, auf der anderen Seite wirken die Kräfte seiner durch die Sünde verblendeten und verkrümmten Persönlichkeit. Der damaligen Zeit entsprechend personifizieren sie diese wiederstrebenden Kräfte in der Figur des Satans bzw. des Bösen, der mit allen möglichen Strategien, Versuchungen und Täuschungen darum kämpft, die Seele von ihrem Weg abzubringen. Am Anfang ist die Seele diesen Kräften, die sie vom Gebet abhalten wollen, noch sehr hilflos ausgeliefert. Es ist eine harte Übung, auch dann treu in der Meditation zu bleiben, wenn sich keine innere Befriedigung einstellt. Sowohl bei Teresa wie auch bei Ignatius steht hinter der häufigen Aufforderung zur Treue die Erfahrung, dass sich durch beharrliches Üben im Inneren des Menschen ein stabiles Zentrum aufbaut, so dass man Stimmungsschwankungen nicht mehr so stark unterliegt und auf äussere Einflüsse gelassener reagieren kann. Ignatius hat zur Unterscheidung dieser unterschiedlichsten inneren Regungen Regeln zur „Unterscheidung der Geister“ entwickelt, damit die Betende ein konkretes Übungsinstrument hat. Auch Teresa beschreibt die Kunst der Unterscheidung der Geister detailreich.

Nada te turbe und Indifferentes

Der bekannte Text Teresas „Nada te turbe“ (Nichts soll dich ängstigen) will den betenden Menschen ermutigen, unabhängig von äusseren Umständen aus dem Vertrauen auf Gott heraus zu leben. Hier klingt Ignatius’ Lehre der Indifferenzan. Das eine nicht mehr wollen als das andere, einzig das anstreben, was den Menschen näher zu Gott führt... sich allen Dingen gegenüber gleichmütig verhalten, aus dieser Freiheit, aus der inneren Verankerung in Christus, heraus leben. Teresa hat die Erfahrung gemacht, dass Geduld zum Ziel führt: „Nichts soll dich ängstigen. Alles geht vorüber, Gott zieht nimmer aus, Geduld erreicht alles, wer Gott bei sich hat, dem fehlt nichts, Gott allein genügt.“Dieses innere Wissen, dass Gott allein genügt, entspricht dem Zustand der Indifferenz, wie sie von Ignatius beschrieben wird. Wohl schmeckt der betende Mensch bereits früh diesen Zustand des Gleichmuts und des Vertrauens. Ganz eingehen und verankert sein darin wird er allerdings erst in der Zielphase sein.

Metamorphose: Vom Tun zum Lassen

Allmählich stellt sich im Gebet der Zustand der Kontemplation ein. Teresa erlebt diesen Übergang so, dass Gott selbst nun wirkt und die Seele an sich zieht. Ganz mühelos, und oft ohne darauf vorbereitet zu sein, gerät sie in einen Zustand tiefer, innerer Ruhe. Teresa entfaltet die Symbolik der Metamorphose einer Seidenraupe, um die innere Entwicklung im kontemplativen Leben darzustellen. Zu Beginn schlingt die Raupe gefrässig das ihr angebotene Blattgrün in sich hinein, dann spinnt sie Seide, die aus ihrem Körper hervorgeht. Das bedeutet für Teresa das innere und äussere Bemühen des geistlichen Menschen, Tugenden zu entwickeln und sich gegen Versuchungen zu wappnen. Wenn der Cocon fertig ist, wird es Zeit für die Raupe zum Sterben. Für das geistliche Leben bedeutet das, dass nun der Mensch der Welt gestorben ist und alles für Gott tun möchte. Dabei ist der betende Mensch sich bewusst, dass dies allein Gottes Wirken durch Gnade ist. Worum die Seele sich jahrelang bemüht hat, das Losschälen von allem Irdischen, wird ihr nun durch Gott geschenkt. Mit Hilfe der Gnade kann sie dies alles loslassen. Aber das hat seinen Preis: Der Mensch fühlt sich jetzt, da er der Welt gestorben ist, wie im Exil. Dies ist mit grossen Schmerzen und Leid verbunden. Diese Phase entspricht der Leidens-Phase bei Ignatius. Das Leiden an der Welt ist eine Konsequenz des Entscheids Christus nachzufolgen. Hier geht es nie um gesuchtes, selbstauferlegtes Leiden. Es geht um den Sterbeprozess des Alten wie eben das Sterben der Raupe im Cocon. Dieses Sterben hat schon lange begonnen seit der bewussten Hinwendung zu Gott. Jetzt, hier geht es um das endgültige Absterben des Alten und das Neuwerden in Christus.

Vereinigung und Sendung

Teresa beschreibt in poetischen Worten die Vereinigung mit Gott als Vermählung. Es liegt nahe, dass auch Ignatius das Eingehen in die Kontemplation und eine Vereinigung mit Gott als Ziel-Phase gesehen hat. Wie genau er das selber erlebt hat, erfahren wir nicht. Meines Erachtens bleibt bei ihm der dialogische Charakter stärker bestehen als bei Teresa. Mensch und Gott bleiben deutlich eine Zweiheit in der Einheit. Es stellt sich aber auch bei Teresa nicht ein harmonisch-glückliches Liebeseins ein. Denn was geschieht mit dem ausgeschlüpften Schmetterling? Sein Endstadium ist nicht wie erwartet das Fliegen. Erst durch seinen Tod ist er laut Teresa am Ziel, erst dann findet er Ruhe. Der Mensch muss schmerzhaft lernen, dass es nicht nur darum geht, die Welt loszulassen, sondern wirklich sich selbst, auch mit dem Wunsch, bei Gott zu sein. Die Selbstvergessenheit ist ein Erkennungszeichen für Menschen, die aus der Vereinigung mit Gott heraus leben und weiter die Sehnsucht, es möge sich der Wille Gottes erfüllen. Der Mensch denkt nun nicht mehr an sich selbst, sondern einzig an die Ehre Gottes. Er ist jetzt weder an eigenen Leiden noch Freuden interessiert, sondern geht ganz im Dienst Gottes auf. Der Mensch auf diesem Weg hat die Angst um sich selbst weitgehend verloren, doch eine neue Angst und Sorge ist an ihre Stelle getreten: die „Angst“ um Gott d.h. das Teilen der Sorge Gottes um die Welt und ihre Menschen. Es ist also auch bei Teresa keine pure Liebesmystik. Beide Wege zielen auf eine Spiritualität, die ganz auf den Alltag mit seinen Anforderungen ausgerichtet ist, die versucht, Gott in allen Dingen zu finden. Der Mensch ist gerufen, durch Gebet und Handeln mit Gott zu wirken, um die Schöpfung zur Vollendung d.h. zur Erlösung zu führen. Als Co-Creator Gottes erhält der Mensch seine tiefste Würde und Erfüllung.

Schnittpunkt Erdung

Auf mystischen Wegen lastet oft der Vorwurf, dass sie den Menschen in eine abgehobene, nicht geerdete Spiritualität hinein verführen. Doch solide Gebets-Wege bewirken das Gegenteil. Die Gebets-Wege nach Ignatius und Teresa finden einen Schnittpunkt in der Erdung. Sie vermögen bis heute unermüdlich daran zu erinnern, dass seit der Inkarnation Gottes der Mensch unwiderruflich auch dazu berufen ist, sich selbst aus Liebe auf Gott hin zu verlassen und so als Ausdruck der gelebten Beziehung mit Gott an der Sendung Jesu Christi teilzunehmen. Denn der Mensch wird dann am tiefsten Mensch und ganz er selbst wenn er sich’s an Gott genügen lassen und sagen kann: Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20).

Noa Zenger ist Pfarrerin in Thalwil und Kursleiterin in Exerzitien und Kontemplation im Lassalle-Haus

 

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