16.08.2021 15:22

«fou l’Art» – Kunst für Menschen mit Einschränkung

Anfang August hat der erste viertägige Kurs «fou l’Art» im Lassalle-Haus stattgefunden. Neun Menschen mit Einschränkung von der Stiftung zuwebe sind unter der kundigen Leitung von Jörg Niederberger und Barbara Düggeli für vier Tage in einen schöpferischen Prozess eingetaucht. Am Schluss nehmen alle Teilnehmenden ein selbstgedrucktes Foulard mit nach Hause.

In voller Konzentration sitzen die Teilnehmenden an ihrer Arbeit und lassen den Pinsel über die vorgefertigten dreieckigen Stempelformen streichen. Auch die beiden Betreuerinnen der Stiftung zuwebe und die Kursleitung arbeiten mit. «Es hat mich positiv überrascht, unsere Leute so ruhig und vertieft zu erleben», sagt Hugo Niederberger, Abteilungsleiter Kunst & Handwerk von der Stiftung zuwebe.

«fou l’Art» wurde vom Künstler Jörg Niederberger entwickelt. Der Titel greift den französischen Begriff Foulard (Schal) auf und ist zudem eine Kombination des französischen «fou» (verrückt) und l’Art (Kunst). Dabei handelt es sich um ein einfach und leicht erlernbares Verfahren der seriellen Drucktechnik. Mittels vorgefertigter Druckformen aus gleichseitigen Dreiecken in einheitlicher Grösse werden die Farben auf Papier oder Baumwolle aufgetragen.

«Ich danke für die tollen Tage und dass wir gelernt haben, so ein schönes Werk zu machen. Ich würde sofort wieder kommen.»
Teilnehmerin Stiftung zuwebe

Schon nach wenigen Stunden zeigt sich die Vielfalt dieses kreativen Schöpfungsprozesses. Die Ergebnisse werden an den Wänden präsentiert und die Kursleitung fordert alle auf, ihren Beitrag zu kommentieren. So werden die Teilnehmenden langsam mit einfachen Mischübungen und Malarbeiten in die Arbeit eingeführt.

Die Freude ist den Teilnehmenden anzusehen. Vertieft im künstlerisch gestalterischen Prozess wird der Umgang mit den Formen und Farben von Tag zu Tag verfeinert. Nun geht es an die Arbeit für das persönliche Foulard aus Baumwolle. Die einfachen Techniken wirken nun wie ein nahrhafter Boden, auf dem die individuelle Schöpfungskraft zum Ausdruck kommt und gedeihen kann. Die sich mit Werken füllenden Wände geben Zeugnis davon. Das Foulard nimmt Formen an. Schliesslich werden die persönlichen Foulards präsentiert, die Teilnehmenden sind sichtlich stolz auf ihr Kunstwerk. Und auch die Leitung freut sich über den gelungenen Auftakt.

«Der fou l’Art-Workshop liess erneut ganz verschiedene Menschen zu ihrem persönlichen gestalterischen Ausdruck finden. Ich bin jedes Mal – sei es mit Architekturstudent*innen, Frauen in ostanatolischen Kelim-Werkstätten, innerhalb meiner weiteren Kurse mit Erwachsenen oder  Kindern und nun mit Menschen mit einer Einschränkung – erneut erstaunt darüber und auch berührt davon, wie sich in all den Arbeiten, verschiedenste Persönlichkeiten visuell zu zeigen oder „abzuzeichnen" beginnen. Den künstlerisch gestalterischen Prozess gemeinsam zu praktizieren und zu erleben hilft, sich gegenseitig zu ermuntern und mit Freude zu fördern und zu fordern. Die abgeschlossenen Ergebnisse werden schliesslich zu Zeugen von grosser Intensität und Vielfalt. Da alle tun und wirken, ist es wunderbar, ungebrochen miteinander zu arbeiten und auf diese Weise lebendig zusammen zu sein.»
Kursleiter Jörg Niederberger

 

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Die Gestaltungspädagogin Bernadette Spörri hat die Klienten der Stiftung zuwebe begleitet. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.

Leuchtende Farben stehen bereit. Ein Papier-Bogen wartet darauf, dass er bespielt wird von farbigen Stempel-Abdrücken. Die Atmosphäre ist gefüllt von Wärme, Andacht, Konzentration und Stille. Viele Farbfläschchen warten darauf in Einsatz zu kommen. Welche Farben muss ich mischen, damit ich Türkis bekomme?

Erste Annäherungen mit dem Farben tragenden Pinsel und dem Stempel. Was passiert, wenn ich den bemalten Stempel auf das Papier drücke? Wie sieht der gedruckte Stempel aus. Sitzt er richtig auf dem Blatt Papier?

Oh, ich bin unsicher, habe Angst ihn zu setzen! Schaffe ich es, alle Stempel auf eine gerade Linie zu platzieren? Was ist, wenn der grosse Stempel mir aus den Händen fällt? Was ist oben, was ist unten von diesem Stempel. Kann ich das überhaupt? Die andern machen es sicher besser?

Völlige Ruhe tritt ein! Das gezeigte wird ausprobiert. Mutig beginnen die Hände zu gestalten. Flink werden Farben gemischt, Stempel gesetzt und ausprobiert. Jeder auf der Suche nach dem was ihm/ihr gefällt, in seiner/ihrer Ausdrucksweise. Fleiss erfüllt die Teilnehmer. Wunderschöne Muster, welche den Stoff zu einem einzigartigen Foulard zieren, entstehen.

Grosse Freude besiedelt den Raum als bei der Finissage, die entstandenen Werke bestaunt  wurden. Wunderschöne gestalterische Werke schmücken die Wände. Anfängliche Unsicherheiten geraten ins Vergessen. Die Betrachter sind fasziniert über die Vielfalt der Farbkombinationen und Muster. Jedes einzigartig!

Welche Eindrücke, welche Erkenntnisse durften die Teilnehmer erfahren? Meine Farben und Schaffensart hat mich beruhigt. Ich bin zufrieden nach Hause gekommen. Ich konnte die Bedenken, dass mir der Stempel aus den Händen fiel, überwinden und erfuhr Freude an meiner Arbeit. Ich fand es spannend zu erleben was passiert, wenn ich die Farben mische! Mein Ziel war es herauszufinden, wie ich die Farbe Türkis mischen konnte.

Ich konnte ausdrucken, wer ich bin. Ich genoss die Ruhe. Von Tag zu Tag konnte ich das erlernte schneller umsetzen. Es motivierte mich weiter zu machen.

Bernadette Spörri, Stiftung zuwebe, 13.8.21

 

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