16.03.2020 10:08

Welcher Weg passt zu mir? Ein Erfahrungsparcours durch Yoga, Zen, Exerzitien und Kontemplation

Das mit der Meditation ist bei mir so eine Sache – einerseits versuche ich schon lange Meditation als etwas regelmässiges in meinen Alltag einzubauen, andererseits habe ich oft dabei ein schlechtes Gewissen: schliesslich sollte ich gescheiter produktiv sein, ich habe doch so viel zu erledigen. Und manchmal fehlt dann einfach die Lust.

Bei mir zu Hause in Deutschland habe ich bereits verschiedene Erfahrungen mit Meditation gemacht: Ich war unter anderem im Benediktushof bei Willigis Jäger, wo ich die Kombination zwischen Zen und Christentum sehr spannend fand. Ein paarmal besuchte ich das «Celebrate Life Festival», wo spirituelle Meditation im Mittelpunkt stand, die nicht an eine religiöse Tradition gebunden ist. Auf dem Festival war es immer toll, doch im Alltag ist alles wieder verpufft, ich konnte nicht daran anknüpfen. Mit der Zeit habe ich gemerkt, diese «Insel-Angebote» reichen mir nicht mehr: Ein schönes Wochenende oder eine schöne Woche in geschützter Atmosphäre verbringen, daheim aber diesen «Geist» nicht aufrecht erhalten können, das fand ich schade. Ich begann nach etwas zu suchen, dass nachher auch in meinem Alltag bliebe und trägt.

Letztes Jahr stand bei mir eine wichtige Entscheidung an – die Wahl meines Masterstudiums – und ich machte mich auf die Suche nach einem Ort, wo ich Abstand zum Alltag und innere Ruhe finden könnte, um zu einer guten Entscheidung zu gelangen. Über Gabriele Geiger-Stappels «Praxis der Stille» stiess ich dabei auf das Lassalle-Haus und erfuhr von dessen Angebote, und dann ging es schnell: im Juli bewarb ich mich für einen Aufenthalt als Langzeitgast, Anfang September konnte ich ein paar Tage schnuppern kommen. Ich war tief berührt und innerlich durcheinander – ich merkte, das wird für mich eine Herausforderung: einerseits suche ich innere Festigung und Stille, doch als Langzeitgast bin ich auch im Betrieb eingebunden, und rundherum ist in diesem Haus viel los.

Nach ein paar Tagen zurück daheim entschied ich mich dafür, die Herausforderung anzunehmen und durfte dann ab Oktober mein Zimmer im Lassalle-Haus beziehen.
Als Musikerin war die grösste Herausforderung für mich nicht etwa die Stille, sondern mich auf einen neuen Rhythmus einzustellen, auf einen Tag, der bereits um halb 7 mit der ersten gemeinsamen Meditationseinheit beginnt, mit der Abendmeditation um 21 Uhr endet und dazwischen noch ein paar Stunden Arbeit in der Hauswirtschaft beinhaltet. So ein Glück, dass ich von den lieben Frauen in der Hauswirtschaft so gut betreut wurde und einen geschützten Rahmen erhielt!
Nach etwa drei Wochen hatte ich mich soweit eingelebt, dass ich bereit für einen Kursbesuch war – doch auch hier war ich ziemlich überwältigt vom Angebot: wo fange ich bloss an?

Yoga: zum Körper Sorge tragen

Als Bewegungsmensch – ich tanze schon mein ganzes Leben lang – entschied ich mich für ein Yoga-Wochenende bei Irène Fasel. Ich dachte, ich gehe ins Yoga, um mich «auszupowern», doch es kam ganz anders: Ich wurde richtiggehend ausgebremst. Nicht der körperliche Aspekt, sondern der spirituelle Weg steht im Vordergrund. Durch diese Einführung habe ich einen ganz anderen Zugang zum Yoga bekommen, es war, als ob ich alles zum ersten Mal machen würde. Was ich bei diesem Kurs gemerkt habe: ich muss meinem Körper Sorge tragen, achtsam sein. Das war sehr wertvoll.

Kurz-Exerzitien: tieferen Zugang zur Bibel

In den Kurzexerzitien für junge Menschen fühlte ich mich in der Gruppe daheim. Unter Gleichaltrigen entwickelte sich eine gewisse «anarchische Energie», wir haben gemeinsam gesungen und musiziert, es entstand eine unbelastete und freie Atmosphäre. Unser Exerzitienleiter Franz-Xaver Hiestand SJ nahm unsere bisweilen etwas grosszügig ausgelegte Stille schmunzelnd an.
Die Meditation über einzelne Bibelstellen ist mir am Anfang schwer gefallen. Doch dann entdeckte ich damit einen neuen Zugang zur Bibel. Es ist etwas, was auf einer tieferen Ebene liegt, hinter der rationalen Ebene. Es lohnt sich, sich in diese Menschen aus den Texten einzufühlen, sich innerlich berühren zu lassen. Aber Exerzitien sind auch harte Arbeit! Für mich persönlich sind sie fast zu viel Input. Habe ich doch manchmal genug zu tun, mit all den Stimmen, die täglich in mir tönen. Ich habe gemerkt, dass ich eher zur Kontemplation tendiere.

Kontemplation: Sorgen nicht an Menschen, sondern an etwas Grösserem herantragen

Kontemplation mit Heidi Eilinger und Christian Rutishauser SJ war mein längster Kurs: 7 Tage geben dir die Möglichkeit, tief einzutauchen. So brauchte ich auch die ersten ein, zwei Tage, um richtig hineinzukommen. Für die meisten ist Singen in den Kontemplationskursen eine willkommene Abwechslung, Entspannung – ich als Berufsmusikerin hatte eher Mühe damit, ständig gingen meine Gedanken dahin: «Wir schleppen, wir singen nicht richtig…». «Dann sing du nicht mit, sondern fokussiere dich auf die Texte», riet mir Heidi. Ich kontemplierte also die Liedtexte, während die anderen sangen. Nach ein paar Tagen machte es plötzlich «Klick» und ich kam richtig ins Jesusgebet rein, etwas ganz Neues hat sich mir erschlossen. Die darauffolgenden Tage waren sehr intensiv, etwas ist in mir passiert, das sich nicht leicht in Worte fassen lässt. Mein Verhältnis zum Christlichen hat sich verschoben, ich wurde mit sehr heftigen Emotionen konfrontiert. «Trage es vor das Letzte», riet mir Heidi. In der Kontemplation habe ich das «Du» gespürt – jetzt kann ich beten, so wie ich etwas einem guten Freund erzählen würde. Meine Fragen und Sorgen kann ich an etwas herantragen, das grösser als ein Mensch ist. Und: ich darf denken. Vorher habe ich oft versucht in der Meditation meine Gedanken zu beruhigen, wegzumachen. Jetzt weiss ich: wenn Gedanken kommen, kann ich sie formulieren, bewusst, bedacht. Das ist mein Zugang zum Beten.

Wie weiss ich, ob das Letzte christlich ist, ich also meine Fragen an Gott herantrage? Ich weiss es nicht genau. Doch ich habe entdeckt, dass die christliche Tradition eine Sprache für das Unaussprechliche gefunden hat, Formen und Bilder, um das greifbar zu machen. Das Christentum gibt einen gewissen Rhythmus im Leben vor – die Sonntage, die Feste im Kirchenjahr, die Fastenzeit. Man ist immer in etwas Grösserem eingebunden. Nicht zuletzt bietet es auch eine Struktur, in die man sich im Alltag einfügen kann: In jeder Stadt gibt es eine Kirche, eine Gemeinde, wo man anknüpfen kann. Das finde ich tröstlich und gibt mir viele Möglichkeiten, Spiritualität auch zuhause zu leben. Ist ein christlich-kontemplatives Leben vielleicht die Antwort, die ich suche? Die Spiritualität, die auch nach der «Insel» im Alltag bleibt und trägt?

Zen: Gedanken loslassen

Gegen Ende meines Aufenthaltes habe ich mich noch für eine Zen-Einführung bei Peter Widmer und Carolina Dux entschieden, denn das fehlte noch in meiner Palette, und ich wollte die Meditationsform kennenlernen, für die das Lassalle-Haus so bekannt ist. Ich muss gestehen: Zen war für mich herausfordernd. Ich hatte das ganze Wochenende Rückenschmerzen. Ich hatte Angst, mich in der Leere zu verlieren. Da kam mir Peter Widmers Rat gelegen: ab und zu nach links und rechts schauen und merken, die Welt ist noch da. Im Zen bin ich zwar schnell zu ganz klaren Momenten gekommen, wo ich ganz wach, ganz da war, und alles sehr scharf wahrgenommen habe - sicher war ich durch meine wochenlange tägliche Meditation in meinem Lassalle-Alltag gut vorbereitet. Doch persönlich ist mir diese Meditationsform ohne religiösen Kontext zu wenig, also buddhistisch zu meditieren ohne Buddhist zu sein irritiert mich. Willigis Jäger schreibt, in der Meditation fühle man sich wie ein Tropfen in einem Ozean voller Liebe – ich möchte aber mehr Kontur, will mich nicht in ein grosses «Nichts» auflösen. Ich will mich als Mensch, als Individuum gegenüber Gott fühlen.

Was nehme ich mit?

Nach Abschluss meines Aufenthaltes im Lassalle-Haus nehme ich viele Eindrücke mit. Zwei volle Tagebücher, ein paar Bücher zur Lektüre zuhause, neue Freundschaften und berührende Begegnungen. Viele Antworten und viele Fragen. Was mein neuer Zugang zum Christentum für mich und mein Leben bedeutet, muss ich noch herausfinden. Ich bin gespannt, wie mein Umfeld auf mein neues «Bewusstsein» reagiert. Ich spüre, wie ich innerlich gewachsen bin und dass ich stärker bin, als ich dachte.

Ich gehe heim und lasse ein Stückchen Zuhause zurück, im Lassalle-Haus bei all den lieben Menschen, stillen Ecken und guten Erinnerungen und bin unendlich dankbar. Die getankte Stille wird mich noch lange weitertragen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Johanna G.

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