15.09.2021 17:00
von

Environmental Justice Conference - Building back better after Corona

Ein Erfahrungsbericht von Fabian Moos SJ zur Conference, welche vom 29.8. – 3.9.2021 im Lassalle-Institut stattgefunden hat.

Die Debatte um Nachhaltigkeit und Ökologie hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Eine eher naturwissenschaftliche Fachdisziplin ist zu einer transdisziplinären Angelegenheit Disziplin im Dialog mit zahlreichen Akteurinnen und Akteuren der Gesellschaft geworden. Ihre Ausgangs-Frage könnte man frei nach Bruno Latour so zusammenfassen: Wo bleibt angesichts der „Apokalypse in Slow Motion“, die wir erleben, unsere Leidenschaft für Veränderung? Daraus wird schließlich die Frage nach den vielfältigen Voraussetzungen für und Beteiligungsmöglichkeiten an einer umfassenden sozial-ökologischen Transformation von (kulturell so unterschiedlichen) Gesellschaften, der sich diese Konferenz widmete. Ich möchte im Folgenden einige Einsichten nennen, die ich persönlich mitgenommen habe, wobei ich nur einen kleinen Teil der Beiträge erwähnen kann.

Seit Jahrzehnten werden die systemischen Probleme des Status Quo sowie mögliche Zielperspektiven anderer, zukunftsfähiger Gesellschaftsformen erforscht – nun wird es verstärkt um eine dritte Form von Wissen gehen: das transformative Wissen, das darüber aufklärt, wie komplexe Veränderungsprozesse in konkreten Kontexten demokratisch, ethisch begründet und vorhandene Energien nutzend vorangebracht werden können. Das noch sehr junge Forschungsteam in Georgetown um Gaël Giraud SJ etwa erstellt dafür neue ökonomische Modelle, die die Thermodynamik des begrenzten Planeten Erde, verschiedene klimatische Szenarien und soziale Faktoren in die Prognosen einbezieht. Ein neues Forschungsparadigma verdeutlichte Mark Swilling aus Südafrika, der ausgehend von seinen Erfahrungen transformativer Forschung in einem extrem konfliktreichen und krisengebeutelten Land dafür warb, sich nicht als von gesellschaftlichen Prozessen abgelöst zu betrachten, sondern als „knowlege partners“, die mit den Akteur*innen vor Ort Lösungen für reale Probleme entwickeln und dabei jeweils die Schritte vorangehen, die konkret möglich sind – ohne Realismus und Radikalität gegeneinander auszuspielen. Wie so etwas in Europa aussehen könnte, zeigte Elena de Lictolis, die verschiedene „Commoning“-Projekte in Rom wissenschaftlich begleitet hat, bei denen urbane Gemeingüter entstehen. Ein großes Thema ist dabei das „Scale up“, also die Weitergabe transformativer „Best Practices“ an vergleichbare Initiativen in anderen Städten und Ländern. Daniel Lang von der Leuphana-Universität Lüneburg stellte das jüngst verfasste Positionspapier des Sachverständigenrats der DBK zur sozial-ökologischen Transformation vor und gab weitere Beispiele transformativ-transdisziplinärer Projekte, diesmal in Deutschland, die zeigen, wie wichtig in solchen Prozessen Kompetenzen des zukunftsorientierten, wertebasierten, systemischen und strategischen Denkens sind. Anzustreben sind gewisse Hebel, die tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen auslösen. Jörg Alt SJ teilte seine Erfahrungen in der Kampagnen-Arbeit mit, die sich auf die Katholische Soziallehre stützt, und erzählte, wie Menschen für die sozialökologische Transformation begeistert werden können. Die Theologin Celia Deane-Drummond schließlich plädierte bei all diesen Prozessen für einen Paradigmenwechsel hin zu einem bewusst relationalen Ansatz – alles ist miteinander verbunden, wie Laudato Si‘ mehrfach betont. Wir Menschen sind zunächst Beziehungswesen und positive Veränderung kann entstehen, wenn die Tugenden von Empathie und Barmherzigkeit, aber auch von praktischer Weisheit (phronesis) gelebt werden. Das zeigt sich bis auf die Ebene internationaler Verhandlungen, wo das Entstehen und Pflegen von gegenseitigem Vertrauen entscheidend ist.

Sehr berührt hat mich die Tatsache, dass gerade die Katholische Kirche immer mehr als weltweiter Player der sozialökologischen Transformation wahrgenommen und geschätzt wird. Laudato Si‘ hat einen Stein des Wandels und der Hoffnung ins Rollen gebracht, auch wenn der zu rollende Weg noch sehr weit ist. Konferenzen wie diese können dabei interessante Anstöße geben, wie die Enzyklika und die 4. UAP unseres Ordens in den kommenden Jahren umgesetzt werden könnten.

Fabian Moos SJ, Paris

 

Die nächste Environmental Justice Conference findet vom 21.-25.8.2022 statt

Zurück