27.03.2013 14:21

Lassalle Ethik Forum 2013

Wider dem Wachstums-Imperativ

Am 21. und 22. März diskutierten Experten aus lokalen und globalen Unternehmen und Institutionen mit einem interessierten Publikum über die Aspekte eines quantitativen und qualitativen Wachstums.

Wachstum ohne Glück
Wachstum hat viele Gesichter – und nicht unbedingt nur gute. Korreliert Wachstum mit Glück, oder wenigstens mit subjektivem Wohlbefinden? Der Ökonom Alois Stutzer von der Universität Basel forscht seit Jahren in diesem Gebiet. Die Krux mit dem Glück (oder mit der Zufriedenheit) ist allerdings, dass es wie alle unsere Empfindungen relativ ist. Immerhin lassen sich Teilfaktoren des Glücks «isolieren», wie Arbeit und Beschäftigung – also doch ein positiver Effekt des Wachstums? Ja, wenn wir uns nicht so schnell an einen Lebensstandard gewöhnen würden. Um es am Beispiel von Deutschland aufzuzeigen: obwohl der Wohlstand seit den 60er-Jahren stetig gewachsen ist, ist das Wohlbefinden der Bevölkerung gleich geblieben. Daraus liesse sich ableiten, dass sich der Wohlstand einschränken lässt, ohne dass die Lebensqualität darunter leidet und die Menschen einen Verlust dabei empfinden.

Reicher, aber nicht glücklicher
Kaum ein anderes Land hat in den letzten Jahren ein derart rasantes Wirtschaftswachstum hingelegt wie China: die Chinesen sollten also zu den glücklichsten Menschen auf Erden gehören, wenn die Gleichung stimmen soll. Doch Stephan Rothlin SJ, Leiter des «Center for International Business Ethics» in Beijing weiss aus erster Hand zu berichten, dass sich gerade in China gravierende Nebeneffekte einer Fixierung auf maximalen Profit zeigen: gesundheitsbedrohliche Luft- und Grundwasserverschmutzung treffen die gesamte Bevölkerung, während nur wenige am neuen Reichtum teilhaben können. Das Fehlen einer Rechtssicherheit ist zudem nicht mit Wirtschafts-Ethik, wie wir sie verstehen, kompatibel.

Reich, das reicht
Also muss die Lösung anderswo liegen. Qualität statt Quantität, auch in der wirtschaftlichen Entwicklung. Am Beispiel des Kantons Zug zeigt Regierungsrat Heinz Tännler auf, dass die Umsetzung eines «Wachstums in Grenzen» auf vorausschauenden politischen Entscheiden basieren muss. Und Cécile Bühlmann, Stiftungsratspräsidentin von Greenpeace Schweiz, doppelt mit ihren Forderungen nach, den ökologischen Fussabdruck unseres Landes mittels erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu verringern.

Qualität beginnt im Kleinen
Qualitatives Wachstum kann aber auch von kleinen Unternehmen iniziiert werden – B.B. Triatmoko SJ etwa leitet in Indonesien eine technische Berufsschule, die mit einem Technopark und eigenen Start-Up-Unternehmen den lokalen Jugendlichen eine Berufslehre (nach schweizerischen Modell) ermöglicht und gleichzeitig Forschung betreibt, um etwa natürliche Farben für die traditionellen Batik-Drucke zu entwickeln. Auf diese Weise gelingt es im Kleinen, soziales und ethischen Engagement mit der Geschäftswelt zu vereinbaren.

Ethik ist nicht käuflich
Mit welchen Schwierigkeiten Unternehmen jeder Grösse in einem Schwellenland wie Indonesien zu kämpfen haben, zeigt auch Ernst Buschor, ehemaliger Zürcher Regierungsrat und Vorstand des Swiss International Technical Connection Siteco. Ein an sich rohstoffreiches Land mit einer praktisch inexistenten Infrastruktur im Bereich Verkehr und Kommunikation setzt so einen Grossteil seiner Gewinne in den Sand. Sand im Getriebe ist auch die allgegenwärtige Korruption: Wo Diplome und Zuschläge für Grossprojekte mit Geld erkauft werden können, haben ethische Grundfragen keinen Platz. Am Anfang eines qualitativen Wachstums muss eben ein Staat sein, der seine Gesetze durchsetzen kann, eine gute Grundbildung garantiert – etwa mit einer besseren Entlöhnung der Lehrkräfte – und mit erhöhter Transparenz gegen die Korruption vorgeht.

Wachsen oder eingehen
Wie sehen international tätige Unternehmen die Frage des qualitativen Wachstums? Mit Andreas Umbach, CEO der Landis+Gyr, und Robin Cornelius, VR-Präsident von Switcher, stehen sich zwei sehr unterschiedliche Auffassungen gegenüber. In der Industrie, so Umbach, ist Wachstum eine existentielle Bedingung. Angesichts des rasanten Preiszerfalls (etwa in der Elektronikbranche: Computer, Mobiltelefone, Fernseher, Kameras werden immer besser und kosten immer weniger) ist Wachstum die einzige Möglichkeit, um im Konkurrenzkampf zu überleben. Etwas können grosse Unternehmen dennoch für ein qualitatives Wachstum tun: erneuerbare Energien einsetzen und den Verbrauch senken.

Ethisches Engagement ist sexy
Anders sieht es Robin Cornelius: sogar in einer Branche wie der Bekleidungsindustrie, wo die Kunden sich an Marken und Preise orientieren, ist es möglich, den Fokus auf Qualität zu setzen. Sobald die Kunden auf einem Blick sehen können, woher etwa das T-Shirt kommt, wie hoch der CO2-Ausstoss und der Wasserverbrauch für seine Herstellung waren, können sie bewusst entscheiden, für ein «ethisches» Produkt einen etwas höheren Preis zu zahlen. Kein einfaches Unterfangen in einer Umgebung, wo Modelle und Farben eine Halbwertszeit von weniger als einer Saison haben. Die Grundfrage, die sich wohl bei jeder Diskussion um qualitatives Wachstum stellt, lautet: Wie bringen wir ethisches Engagement ohne drohenden Mahnfinger als «sexy» herüber?

Die Bilder des Ethik-Forums finden Sie hier.

 

Referenten

  • Alois Stutzer, Universität Basel (Slideshow des Referats)
  • Stephan Rothlin SJ, Centre for International Business Ethics, Peking (Slideshow des Referats)
  • Cécile Bühlmann, Stiftungsratspräsidentin von Greenpeace Schweiz seit 2006,1991–2005 Nationalrätin, Präsidentin der Grünen Fraktion 1993–2005 (Slideshow des Referats)
  • Heinz Tännler, Regierungsrat Zug seit 2007, Vorsteher der Baudirektion, SVP (Slideshow des Referats)
  • B.B. Triatmoko SJ, Chairman, Akademi Tehnik Mesin Industrie Atmi  (technische Berufsschule), Jakarta, Indonesien (Slideshow des Referats)
  • Ernst Buschor, Swiss International Technical Connection Siteco, Vorstandsmitglied, vormaliger Regierungsrat Kanton Zürich, Bildungsdirektion (Slideshow des Referats)
  • Andreas Umbach, CEO Landis+Gyr
  • Robin Cornelius, Verwaltungsratspräsident, Switcher (Slideshow des Referats)

 

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