10.07.2019 18:38

Kontemplation in der Osterwoche – ein Erfahrungsbericht

Kontemplation: Ein Beziehungs- und Heilungsweg

Da ich schon länger auf dem kontemplativen Weg unterwegs bin, freue ich mich sehr, diesen Weg im Lassalle-Haus vertiefen zu können. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass sich die Kontemplationskurse des Lassalle-Hauses an den Schritten, die Franz Jalics SJ in seinem Buch «Kontemplative Exerzitien» beschreibt, orientieren.

Doch was heisst eigentlich «Kontemplation»? Die Wurzel des Wortes liegt im lateinischen Verb «contemplari», was «betrachten, wahrnehmen, schauen» bedeutet. Die Übung der Kontemplation kann als eine Schule des achtsamen Wahrnehmens der Gegenwart Gottes verstanden werden. Freundin und unerlässliche Begleiterin auf diesem Weg des achtsamen Wahrnehmens ist die Stille. Aus diesem Grund finden alle Kontemplationskurse im Schweigen statt. Denn die Stille fördert das intensive Wahrnehmen, das zuerst über die Sinne geht.

Natur: die erste Lehrmeisterin der Kontemplation

So lasse ich mich unter der kompetenten Anleitung von Jeremias Marseille OSB Cam. und Noa Zenger auf die bewährten Übungsschritte nach P.  Jalics ein. Wie Franz Jalics in seinen Büchern und Kursen immer wieder betont, ist die Natur die erste Lehrmeisterin der Kontemplation. So führt auch der erste Schritt der intensiven Wahrnehmung in die Natur. Zu Beginn bin ich noch schnellen Schrittes unterwegs, im Kopf schlagen die Gedanken Purzelbäume. Doch irgendwann bemerke ich, dass sich meine Schritte verlangsamen. Es gelingt mir, vor einem Baum stehen zu bleiben, ihn in aller Stille auf mich wirken zu lassen. Ich nehme seine Grösse und Schönheit wahr und staune über die Unterschiedlichkeit jedes einzelnen, ganz filigran gestalteten Blattes. Die Gedanken glätten sich – ich staune!

Im nächsten Schritt geht meine Wahrnehmung zu mir selbst, zu meinem Atem. Geduldig richte ich meine Aufmerksamkeit auf das Aus- und Einatmen. Der Atem, der mich am Leben erhält und dem ich in der Geschäftigkeit des Alltags kaum Aufmerksamkeit schenke. Nach dem Buch Genesis hauchte Gott seinen Atem dem ersten Menschen ein und erst dadurch wird er «zu einem lebendigen Wesen» (Gen 2,7). Mein Atem – Gottes Atem, der mich durchströmt.

Nun verbindet sich die Wahrnehmung des Atems mit der Wahrnehmung der locker ineinander liegenden Handflächen, das Strömen im Körper wird intensiver. Wenn mich Gedanken vom «Hier und Jetzt» wegziehen, versuche ich entschlossen zur Wahrnehmung des Atems und der Hände zurück zu kommen.

 

Heilungsprozess in der Tiefe

Im nächsten Schritt lege ich auf mein Ausatmen ein sanftes «Ja», das auch in den Namen «Maria» münden kann. Es ist weniger ein Sprechen als vielmehr ein aufmerksames Lauschen auf den Klang des Wortes oder Namens in mir. Mit Staunen nehme ich wahr, wie tief liegende Schichten in mir gleichsam aufgepflügt, aufgeweicht werden, tiefsitzende negative Gefühle an die Oberfläche drängen und so ein Heilungsprozess in Gang kommt.

Der letzte Schritt der Anleitung nach Franz Jalics mündet in das Herzensgebet, das wiederholte Aussprechen des Namens «Jesus Christus» im Rhythmus des Aus- und Einatmens. Auch hier geht es um ein achtsames Lauschen auf den inneren Klang und die innere Bewegung des Namens Jesu Christi in mir. Langsam, fast unmerklich werde ich hineingezogen in eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus, der «Weg, Wahrheit und Leben» (Joh 14,6) ist.

So ist der kontemplative Weg ein Beziehungs- und Heilungsweg, der mich durch die immer wieder neue Ausrichtung auf Jesus Christus, seinen Namen, seine Gegenwart langsam aber stetig in der Tiefe verwandelt.

Unterstützt wird dieser Verwandlungsweg durch die täglichen Impulse der Kursleitung, Jeremias Marseille und Noa Zenger, sowie die ebenfalls täglich stattfindenden Gottesdienste und Begleitgespräche.

Der kontemplative Weg bleibt jedoch nicht auf der Meditationsmatte stehen oder besser sitzen. Er drängt vielmehr nach aussen, so wie es Rilke in den beiden letzten Zeilen seines Gedichts «Wenn es nur einmal so ganz stille wäre» treffend beschreibt:

«...um DICH an alles Leben zu verschenken,

wie einen Dank».

Christiane H.

 

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